wär man mal privatpatient
Heute ist so ein richtiger Sargnageltag. Wäre nicht meine herzallerliebste beste Freundin am anderen Ende der Leitung gewesen um sich meine Wutausbrüche zu geben, hätte ich für nichts garantieren können. Zum Haare raufen. Und tatsächlich - seit heute habe ich sicher 20 graue Haare mehr. Was für ein Desaster – und das wo ich doch fleißig am Haare züchten bin, ganz naturbelassen diesmal. Ganz ohne meine alte Freundin Poly Palette. Haare hin, Haare her.
Worum es eigentlich geht: Ich warte seit nunmehr 150 Jahren auf einen ganz unglaublich wichtigen Termin in der Klinik. Die Klinik: eigentlich immer vertrauensvoll und zuverlässig, lässt in letzter Zeit wirklich nach. Termine werden hin und her geschoben, abgesagt. Ich erscheine zu Terminen, muss Stunden warten. Was deren Problem ist weiß ich auch nicht. Aus der Vergangenheit kann ich nur positives berichten, aber mittlerweile kotzt mich das schon ein wenig an.
Solele, DER Termin auf den ich nunmehr seit November warte (wo er zum ersten mal verschoben wurde) ist ultra wichtig. Nicht so überlebensultrawichtig, aber es kommt schon nahe dran. Morgen am Montag wäre es soweit gewesen. Ich Angsthase schlechthin, versuche es mir seit ca. 3 Tagen schön zu reden.
Kopfkino-CUT
Die Türen werden geschlossen, das Licht geht aus, der Vorhang wird zur Seite gefahren. Ich sitze in der letzten Reihe in der Mitte, der beste Platz im ganzen Kino mit ordentlich viel Popcorn auf dem Schoß, so wie es sich halt gehört. Der Film geht los!
Erste Szene im Film, noch ganz harmlos: Angsthase sitzt ganz entspannt da im Wartezimmer rum, schmöckert in einer Frauenzeitschrift mit viel Mode und Tralala, total uninteressiert im Prinzip. Ruhig, gelassen. „Wird schon nicht so schlimm werden!“
Zweite Szene schon nicht mehr so entspannt: Angsthase nicht mehr ganz so entspannt.
Und die Dritte Szene...: Angsthase rennt wie eine Irre durch den Raum, wirft mit Tassen, verbarrikadiert sich mit Tischen und Stühlen im Wartezimmer. Stellt dann fest, dass alleine im Wartezimmer nicht lange zu überleben ist, reißt Tische und Stühle wieder weg, läuft Amok in der Klinik, überfällt dann die Klinik Kantine, um sich dann mit Schokolade aus dem Staub zu machen.
So, oder so in etwa sieht es dann in mir aus. Würde der Film einen Titel haben, wäre es sicher „Panic Room“. Whatever, auf jeden Fall hatte ich ziemliche Flitzekacke wegen Montag.
Um ein bisschen runter zu kommen und allgemein um ein wenig soziale Kontake zu pflegen, greife ich zum Telefon um meine Lieblingsfreundin anzurufen. Alles schön und gut, wir erzählen uns ein bisschen Tralala hier, ein bisschen tralala da. Ich beklage mich über meinen Termin, heule eine Runde. Aber alles ganz entspannt soweit. Ich bin voll und ganz vorbereitet auf morgen. Ich bin bereit. Auf in den Kampf!
Nebenbei sitze ich am PC und checke meine E-Mails. In meinem Posteingang eine Mail von der Klinik. Ich denk mir nur, dass kann ja nur ein Versehen sein. Niemals habe ich bisher eine Mail von denen bekommen. Alles immer via Telefon und einmal ausnahmsweise per Whatsapp. Aber das war dann auch von einer Schwester, also alles schick. Ich denk noch nichts böses, bestimmt irgend ne Info von wegen Parkmöglichkeiten, wegen gegenwärtiger Baustelle. Pustekuchen. MEIN TERMIN WURDE ABGESAGT! Es tue ihnen leid. Arschlecken.Ich schiebe den Termin schon so lange vor mir her, weil ich echt Bammel hab. In der Vergangenheit konnte ich es ja noch halbwegs verknusen, wenn er verschoben wurde, weil ich ja eigentlich eh nicht wollte. Aber jetzt? Ich hab mir viel Zeit genommen um mich panisch hineinzusteigern, mich zu beruhigen, um dann wieder nen halben Nervenzusammenbruch zu erleiden. Ganz viel Energie hab ich in die Vorbereitung auf Montag gesteckt. Und dann schaffen diese Kackbratzen (entschuldigen Sie bitte der Ausdrucksweise, eigentlich hab ich mich gut erzogen) es nicht einmal, mir frühzeitig und auf telefonischen Wege abzusagen?
Meine Lieblingsfreundin tut mir leid. Jetzt so im Nachhinein. Ich spüre wie es ganz langsam und ganz gemein von unten nach oben hochkocht. Mein Gesicht wird rot, die Söckchen stehen mir senkrecht vom Kopf und tiefschwarzer Rauch quillt aus meinen Ohren. Ich bin sauer. Sicher haben die sich nicht getraut mich anzurufen, weil sie mir ja schon so oft absagen mussten. Denen muss das doch langsam peinlich sein. Das haben die natürlich auch schlau angestellt. Die E-Mail ist von Freitag 14 Uhr. Punktgenau die Zeit, an der in der Tagesklinik die Schotten dicht gemacht werden. Jetzt ist Sonntag. Selbst wenn ich die Nachricht noch Freitag gelesen hätte, so hätte das nichts genutzt, weil mir kein Hans Wurst mehr geantwortet hätte. Wahrscheinlich hoffen sie, dass ich die Mail lese, mich aufrege, aber übers Wochenende wieder abrege, sodass ich ihnen Montag verziehen habe.
Zugegeben ich bin ein echt liebe Patientin. Ich sage zu jedem Ja und Amen, war denen noch nie böse wenn ich warten musste, irgendwas nicht geklappt hat, ich vergessen wurde, oder oder oder.
Wahrscheinlich meinen sie es auch nicht böse, weil ich glaube das ich recht umgänglich bin. Ich hab mir immer vorgenommen nett zu sein, damit die Leute sich freuen das ich da bin. Aber das ändert sich jetzt. Zusammen mit der Lieblingsfreundin verfasse ich einen -, ja fast schon Roman-, in dem ich erkläre mit welcher Energie ich mich auf diesen scheiß vorbereitet habe. Das es nicht witzig ist ständig im unklaren zu stehen und das sie daran schuld sind, dass ich mich bald einweisen lassen kann, wenn ich nicht endlich diese blöden Termin kriege. Das Prof. Dr. Dr. Dr. doch selber gesagt hat wie wichtig das ist. Und nun?
Am Ende schreibe ich extra noch einen Witz, damit sie nicht ganz so böse auf mich sind.
Naja, vielleicht werd ich mit der E-Mail kurzzeitig die Top-Story der kuriosen Krankenhausgeschichten, die sich die Schwestern dann erzählen. Wenigstens für ein paar Tage.
Ich glaube, wenn ich wieder da bin muss ich Schokolade mitbringen, zum besänftigen.
Whatever, wär man mal Privatpatient.